Solo-Selbstständig und Schwanger: Ein praktischer Erfahrungsbericht

 

Anfang Oktober 2023 bin ich nach sieben Monaten Elternzeit wieder in den Job eingestiegen. Ein guter Zeitpunkt, meine Erfahrungen als Solo-Selbstständige und Schwangere zusammenzufassen. Ich lege hier den Fokus auf praktische Tipps und weniger auf die systemischen Widrigkeiten für selbstständige, werdende Mütter, die an vielen anderen Stellen beleuchtet wurden und werden. Ich möchte auch betonen, dass dies ein persönlicher Erfahrungsbericht ist und die Tipps hier nicht allen Selbstständigen helfen wird, die z.B. ein Unternehmen mit hohen Investitionskosten führen und Personalverantwortung haben. Das ist nochmal ein ganz anderer Fall. Ich bin solo-selbstständig, arbeite als Beraterin/Trainerin und mein Arbeitsmittel ist der Laptop. Das macht vieles einfacher und überschaubarer.

Ich hoffe dennoch, dass die Tipps für viele werdende Mütter hilfreich sind und Mut machen. Selbstständigkeit, Schwangerschaft und Mutterschaft können gut zusammen funktionieren und sehr erfüllend sein. Ich lege grundsätzlich viel Wert auf eine gute Vorbereitung und kann sagen, für mich hat sich das ausgezahlt. Ich hatte so das Glück eine stress- und sorgenfreie Schwangerschaft sowie Elternzeit erleben zu dürfen. 

 

In diesem Bericht spreche ich über die folgenden Themen:

 

  1. Mutterschaftsgeld für freiwillig gesetzlich Versicherte 
  2. Zur Berechnung des Mutterschaftsgeldes und was du tun kannst
  3. Tipp für die Steueroptimierung
  4. Achtung wenn privat versichert
  5. Kommunikation mit meinen Kund*innen
  6. ElterngeldPlus beziehen und abzugsfrei hinzuverdienen
  7. Ein neues Kapitel: Selbständigkeit mit Kind

 

Voraussetzung für Mutterschaftsgeld: gesetzlich versichert mit Krankengeld 

 

Ich bin freiwillig gesetzlich versichert, vor der Schwangerschaft allerdings ohne Krankengeld. Die erste Formalie, die ich erledigt habe, als ich von der Schwangerschaft erfuhr, war, meinen Tarif bei meiner Krankenkasse (TK) umzustellen und mich “mit Krankengeld” versichern zu lassen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass du sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt Mutterschaftsgeld erhältst. Das Mutterschaftsgeld zahlt im Angestelltenverhältnis der Arbeitgeber, bei Selbstständigen (werdenden) Müttern die Krankenkasse. Dazu reicht in der Regel eine Mail bzw. ein Anruf bei der Krankenkasse aus und du erhältst kurze Zeit später die Bestätigung. Sich mit Krankengeld versichern zu lassen, macht einen Unterschied von aktuell 0,6 Prozent im Beitragssatz. Wenn du den Höchstbeitrag bei der Krankenkasse zahlst, dann macht das im Monat einen Unterschied von knapp 30 € (988 € statt 958 € im Monat), was ich für gut investiertes Geld halte. Das Gute ist, du kannst den Tarif bis sechs Wochen vor deinem errechneten Entbindungstermin noch ändern. Du verpflichtest dich dann allerdings für die nächsten drei Jahre für diesen Tarif und kannst nach der Entbindung nicht einfach zurückwechseln. Inzwischen bin ich allerdings ganz froh darüber, Anspruch auf Krankentagegeld ab dem 43. Tag der potentiellen Arbeitsunfähigkeit zu haben und würde den Tarif gar nicht mehr umstellen wollen.

 

 

Zur Berechnung des Mutterschaftsgeldes und was du tun kannst

 

Die Höhe des Mutterschaftsgeldes beträgt grundsätzlich 70 Prozent des Einkommens, das zuletzt vor Beginn des Mutterschutzes für die Berechnung der Beiträge zugrunde lag, in der Regel das Einkommen des letzten abgeschlossenen Wirtschaftsjahres bzw. Kalenderjahres. Auch hier gibt es einen Höchstsatz, der sich an der Beitragsbemessungsgrenze orientiert. 2023 betrug dieser z.B. 116,38 € pro Tag. 

Eine Sache, die mir damals aufgefallen ist, ist, dass ich im Jahr der Schwangerschaft und in welchem ich Mutterschaftsgeld erhalten sollte (2022), nur geringe Beiträge zahlte. In dem Jahr zahlte ich gerade einmal den Mindestbeitrag von ca. 250 Euro, da dem noch mein Einkommen aus dem Jahr 2020 zugrunde lag. Es war das Jahr, in dem ich mich selbstständig gemacht habe UND Corona war, wodurch ich ein nur sehr geringes Einkommen hatte. 2022 ging es mir finanziell sehr viel besser, aber meinem zu erwartenden Mutterschaftsgeld lag noch der Mindestbeitrag zugrunde. Das wären dann gerade einmal 792 Euro gewesen statt dem möglichen Höchstbetrag von 3.491 Euro pro Monat. Das macht natürlich einen gewaltigen Unterschied. 

Sprich mit deiner Krankenkasse

Ich habe damals dann mit meiner Krankenkasse gesprochen und gefragt, was ich tun kann, um so schnell wie möglich den Beitrag zu zahlen, der auch mein aktuelles (zu versteuerndes) Einkommen im Jahr 2022 reflektierte. Denn das war ja das Problem. Der Krankenkasse lag noch mein Steuerbescheid aus 2020 vor, ich zahlte also weiterhin den Mindestbeitrag, obwohl mein Einkommen inzwischen viel höher war. In der Regel bedeutet das einfach, ausreichend Rücklagen für die Nachzahlung der Krankenkasse im neuen Jahr zu bilden. Aber was ich ja wollte, ist schon jetzt den “richtigen” Beitrag zu zahlen und nicht erst auf den Steuerbescheid zu warten, der mein aktuelles Einkommen nicht reflektierte. 

Hier kommt der Tipp: Wenn du in dem Jahr, in dem du Mutterschaftsgeld bekommst, mehr verdient haben solltest als in den Vorjahren, dann kannst du deine freiwilligen Beiträge anpassen, indem du der Krankenkasse nachvollziehbar darlegst, wie sich dein Einkommen im gegebenen Jahr verändert. Es zählt also nicht zwingend der letzte Steuerbescheid und du kannst der Krankenkasse deine aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) von der Steuerberatung schicken lassen und zusätzlich aufführen, welche weiteren Umsätze du für das restliche Jahr erwartest. Bei mir hatte das zur Folge, dass ich schon im nächsten Monat den höheren Beitrag zahlte, der dann auch zur Berechnung des Mutterschaftsgeldes herangezogen wurde. 

 

Ja, Selbstständige haben Anspruch auf Mutterschaftsgeld! 

 

Falls du jetzt im Übrigen überrascht bist zu lesen, dass auch selbstständige, werdende Mütter Anspruch auf Mutterschaftsgeld haben: ja, das ist korrekt, eben unter den oben genannten Bedingungen. Tatsächlich habe ich mich damals sehr geärgert, dass die reichweitenstarke Petition um das (fehlende) Mutterschaftsgeld für Selbstständige den Mythos um die mangelnde Absicherung verstärkte und damit de facto eine Fehlinformation verbreitet wurde. Was ich mir daher wünsche, ist, dass mehr Menschen von der Möglichkeit wissen, da es immer noch an proaktiver Beratung seitens der Behörden mangelt. 

 

An der Stelle möchte ich auch nochmal den Unterschied zwischen Mutterschaftsgeld und Elterngeld im Kontext der Selbstständigkeit hinweisen. Nicht alle Mütter bekommen Mutterschaftsgeld, aber jede Mutter hat Anspruch auf Elterngeld (bis zu 12 Monate abzüglich der Zeit, in der Mutterschaftsgeld gezahlt wurde), egal ob selbstständig oder angestellt.

 

Foto: Cherie Birkner

 

Ein Tipp für die Steueroptimierung

 

Eine weitere Konsequenz aus der oben beschriebenen Situation ist, dass mich trotz der Beitragsumstellung eine satte Nachzahlung im nächsten Jahr erwartete. Bei mir sollte die Nachzahlung rund 10.000 Euro betragen, die ich als Rückstellung für die Nachzahlung meiner Krankenkassenbeiträge bilden musste. Da fiel mir auf, dass ich dadurch einen nicht geringen steuerlichen Nachteil haben sollte. Die Sache ist, dass ich im Jahr der Schwangerschaft ein höheres Einkommen haben sollte als im Jahr der Geburt, was wahrscheinlich die Regel ist, wenn ein Großteil der Elternzeit im Jahr der Geburt genommen wird. Wenn ich aber nun die 10.000 Euro im Jahr der Geburt nachzahle, wo ich ein geringeres Einkommen habe, wirkt sich die Nachzahlung steuerlich geringer aus, als wenn ich diese in dem Jahr zahle, in dem ich das höhere Einkommen habe. Wer diesen Sachverhalt einmal genauer nachlesen möchte, dem/der empfehle ich dazu diesen Artikel.

 

Und hier kommt der zweite Tipp: Freiwillig gesetzlich Versicherte haben die Möglichkeit, Krankenversicherungsbeiträge im Voraus zu zahlen, wenn sie die Beiträge selbst an die Krankenkasse überweisen. Dazu habe ich ebenfalls mit meiner Krankenversicherung gesprochen und tatsächlich war es so, dass ich 2022 die zu erwartende Nachzahlung (für 2023) einfach an die TK überwiesen habe mit meiner Versichertennummer und einem kurzen Vermerk im Betreff. Dadurch, dass ich diese Zahlung vorgenommen habe, konnte ich den Betrag in meiner Steuererklärung (als Vorsorgeaufwand) deklarieren und dieser wurde in dem Steuerjahr wirksam, in dem ich das höhere Einkommen hatte. Auch das ist eine Handlungsoption, die nicht offen von den Krankenkassen kommuniziert wird und von der ich nur erfuhr, nachdem ich innerhalb der TK mit verschiedenen Ansprechpartner*innen gesprochen habe.

 

Achtung wenn privat versichert

 

Viele Selbstständige sind aus verschiedenen nachvollziehbaren Gründen privat versichert. Ich spreche hier nicht aus persönlicher Erfahrung, aber habe durch einige Gespräche erfahren, dass die private Krankenversicherung zwei Tücken mit sich bringt. Zum einen erhalten privat Versicherte in der Regel kein Mutterschaftsgeld, sondern lediglich ein einmaliges Mutterschaftsgeld über bis zu 210 Euro vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) überwiesen. Zum anderen müssen privat Versicherte während der Elternzeit die Versicherungsbeiträge in der Regel weiterzahlen, während freiwillig gesetzlich Versicherte nur den Mindestbeitrag (ca. 250 Euro) zahlen und oft sogar beitragsfrei gestellt werden. Letzteres ist der Fall, wenn man als Mutter theoretisch Anspruch auf Familienversicherung hätte. Ich hatte diesen Anspruch nicht, da ich nicht verheiratet bin. *Ugh*.

 

Kommunikation mit meinen Kund*innen

 

Mir war es wichtig frühzeitig und offen mit meinen Kund:innen über meine bevorstehende Elternzeit zu sprechen und zu kommunizieren, dass ich noch nicht weiß, wie lange ich Elternzeit nehme und wann ich wieder Projekte annehme. So konnte ich mich die ersten Monate ausschließlich auf das neue Familien(ein)leben konzentrieren. Etwa im sechsten Monat nach der Geburt trudelten die ersten Projektanfragen ein und ich bekam auch wieder Lust zu arbeiten. Gleichzeitig freute mich auf unsere große Elternzeitreise, in der wir für zwei einhalb Monate mit einem Van durch Nordeuropa reisen sollten. Ich persönlich habe mich dann entschieden, ein größeres Projekt anzunehmen, das mir beides ermöglichen sollte. Ich habe klar kommuniziert, dass ich in den kommenden drei Wochen das Projekt vorbereiten kann, aber in den darauffolgenden zwei Monaten nicht arbeiten werde. Da das Projekt mit ausreichend Vorlauf angefragt wurde, hatte ich die Möglichkeit einen Projektplan aufzustellen, der die arbeitsfreie Zeit berücksichtigt und nachvollziehbar aufzeigt, dass es mich in der Zwischenzeit nicht braucht. Das Projekt ist inzwischen abgeschlossen und ich bin sehr froh, dass der Plan aufgegangen ist und der Kunde (der für mich damals ein Neukunde war) mir das Vertrauen entgegengebracht hat, dieses Projekt als frischgebackene Mama umzusetzen. Das sollte selbstverständlich sein, ist aber (noch) nicht.

 

ElterngeldPlus beziehen und abzugsfrei hinzuverdienen

 

Wer Elterngeld bezieht, weiß in der Regel, dass es zwei Versionen gibt: das Basiselterngeld in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens im letzten Kalenderjahr (bis zu maximal 1.800 Euro) und das ElterngeldPlus für Angestellte und Selbstständige, die während der Elternzeit in Teilzeit arbeiten. Ich habe vom ElterngeldPlus Gebrauch gemacht, als ich das Projekt gestartet habe. Hier gilt nur zu beachten, dass Selbstständige bis zu 32 Wochenstunden erwerbstätig sein dürfen, aber maximal 1.385 Euro netto hinzuverdienen dürfen, ohne dass dir das Elterngeld gekürzt wird. Dabei handelt es sich um die Hälfte von 2.770 Euro des Netto-Einkommens, welches die sogenannte Kappungsgrenze und die rechnerische Entsprechung des Höchstbetrags des Elterngelds von 1.800 Euro ist. Einfacher ist es, sofern Du die Möglichkeit hast dies mit deinen Kund*innen zu planen, den Elterngeldbezugszeitraum für ein-, zwei- oder drei Monate gänzlich zu unterbrechen. Du kannst dann die Arbeit für deine Kund*innen so abrechnen, dass sie dir den Betrag in den Monaten überweisen, in denen du kein Elterngeld erhältst. Das ist ein praktischer (und legitimer!) Gestaltungsspielraum, den Selbstständige haben.

 

Ein neues Kapitel: Solo-Selbständigkeit mit Kind

 

Inzwischen arbeite ich seit nun fast drei Monaten und hatte insgesamt einen sehr reibungslosen Wiedereinstieg. Dass es so gekommen ist, ist nicht selbstverständlich, aber wenn ich nach den Erfolgsfaktoren gefragt werde, dann ist meine Antwort: eine gute Vorbereitung und ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis mit deinen Kund*innen. Ersteres war wichtig, um Ärger um nachteilige Überraschungen in einer sensiblen Phase zu vermeiden sowie finanziell gut aufgestellt zu sein und letzteres, weil gute Kund*innen weiter mit dir arbeiten werden wollen, ob du Mutter bist oder nicht. 

Wie ich mich langfristig als Selbständige mit Kind aufstelle und wie ich persönlich Erfolg in meiner neuen Rolle definiere, ist noch eine offene Frage. Auf jeden Fall plane ich meine Arbeitszeit weiter zu reduzieren (20-25 Stunden/Woche) und das hilft mir schon jetzt, mich stärker zu fokussieren. Über die Erfahrungen in diesem neuen Kapitel berichte ich dann ein anderes Mal.

 

Weitere hilfreiche Erfahrungsberichte

 

Abschließend möchte ich noch zwei weitere Erfahrungsberichte teilen. Zum einen der Bericht meiner Freundin Nika, die hier ihre Erfahrungen und Tipps als (damals) selbstständige Unternehmerin in einer GbR zusammengefasst hat. Zum anderen diesen Erfahrungsbericht einer weiteren Solo-Selbstständigen, der Mut macht und ebenfalls viele gute Tipps bereithält. Allerdings habe ich vor dem Schreiben des Berichts viele Artikel gelesen, um sicherzustellen, dass der Inhalt relevant ist, aber nicht viele gefunden, die in die Tiefe gehen. Ich vermisse unter anderem noch Berichte, die von Schwangerschaft und Mutterschaft im Kontext von “Existenzgründung” und “Unternehmensführung mit Personalverantwortung” handeln. Wenn ich etwas übersehen habe, dann freue ich mich über Eure Nachricht!