Praxis-Guide

Mit dem richtigen Partner den CO2-Fußabdruck ermitteln, reduzieren und kompensieren: Eine Anbieter-Übersicht für Unternehmen auf der Suche nach dem richtigen Partner für den Weg zur Klimaneutralität

Einleitung

 

Der Anbieter-Markt für das Ermitteln, Reduzieren und Kompensieren des die CO2-Fußabdrucks ist als Folge ambitionierter und gesetzlich verankerter Klimaziele sowie steigender Nachfrage für die freiwillige Kompensation von Treibhausgasemissionen in den letzten Jahren stark gewachsen. Dabei hat auch die Bandbreite der Serviceangebote zugenommen, die Unternehmen in der Frage herausfordert: 

 

“Welcher Anbieter ist der richtige Partner für unseren Weg zur Klimaneutralität”?

 

Das Ziel dieses Artikels ist daher einen Überblick über die verschiedenen Anbieter und ihre Serviceangebote zu vermitteln, von der Ermittlung des CO2-Fußabdrucks über die Entwicklung von Dekarbonisierungsstrategien bis hin zur Kompensation der ermittelten CO2-Emissionen. Welcher Weg für welches Unternehmen der richtige und welcher Partner der passende ist, ist nur individuell zu beantworten. Die folgenden Informationen sollen dahingehend den Entscheidungsprozess unterstützen.

 

Wer sind die “verschiedenen Anbieter”?

 

Mit “verschiedene Anbieter” ist gemeint, dass es unter den Anbietern sowohl hoch spezialisierte als auch breit aufgestellte “One-Stop-Shop”-Anbieter gibt. Zu den spezialisierten Anbietern gehört z.B. atmosfair, die ihre Kernkompetenz in der Kompensation von Treibhausgasemissionen durch die Förderung von ausgewählten Klimaschutzprojekten haben. Unter den “One-Stop-Shop”-Anbietern, die von der CO2-Messung über die Entwicklung maßgeschneiderter Dekarbonisierungsstrategien bis hin zur Auswahl geeigneter “Kompensationsprojekte” ein umfassendes Serviceportfolio aufweisen, gibt es z.B. das Unternehmen South Pole. Zu unterscheiden ist zudem zwischen technologie-getriebenen SaaS-Anbietern, die u.a. die Erfassung von Emissionsdaten vereinfachen, wie z.B. Plan A oder Planetly by OneTrust (“Planetly” im Folgenden) und Beratungsunternehmen, die maßgeschneiderte Lösungen anbieten. 

 

Die genauen Abgrenzungen sind dabei nicht immer klar und verschwimmen teilweise. Dies erschwert die Auswahl des richtigen Partners. Oft beantworten Informationen auf den Webseiten nicht alle Fragen und es müssen viele Gespräche oder Demos mit Vertriebsmitarbeiter:innen vereinbart werden, um die Details in Erfahrung zu bringen. So bieten zum Beispiel auch die tech-orientierten Anbieter zu einem gewissen Grad auch Beratungsleistungen an, welche aber nicht zu ihrem Kerngeschäft gehören und nicht aktiv beworben werden. Auch in diesem Sinne soll der Artikel grundlegende Fragen beantworten, um solche Gespräche vorab zielgerichtet auswählen und führen zu können. 

 

Hinweise zum Lesen des Artikels 

 

Um den Artikel so anschaulich und praxisorientiert wie möglich zu gestalten, erläutere ich bestimmte Punkte immer wieder anhand konkreter Unternehmen, die in der D-A-CH-Region operativ tätig sind. Diese sollen nicht als direkte oder indirekte Empfehlung verstanden werden. Ausschlaggebend für die Auswahl der genannten Unternehmen war ihr Bekanntheitsgrad und hohe Präsenz im Markt, um möglichst vielen Leser:innen relevante Informationen bereitzustellen.  

 

In dieser Übersicht habe ich eine vergleichende Übersicht der genannten Anbieter erstellt und jeweils in der Kategorie “Vergleichbare Anbieter” weitere Unternehmen gelistet, die ein ähnliches Serviceportfolio anbieten. Dies soll helfen die eigene Recherche bei Bedarf zu vertiefen.

 

Die Informationen in diesem Artikel wurden zudem unabhängig recherchiert und basieren sowohl auf Primär- als auch Sekundärquellen. Ich habe Gespräche mit Expert:innen und Nutzer:innen geführt, Informationen auf Anbieter-Webseiten gesichtet und verglichen, Erfahrungen und Ergebnisse aus Online-Artikeln zusammengetragen und einige Anbieter selbst für spezifische Nachfragen kontaktiert. 

Gleichzeitig erhebt der Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei Feedback, Fragen und/oder Ergänzungen, freue ich mich auf Nachricht an karry@karryschwettmann.com

 

 

Insights

 

Im Folgenden gehe ich zunächst auf die verschiedenen Anbieter-Kategorien ein und anschließend auf einzelne Aspekte und Sachverhalte, die für den Entscheidungsprozess für die Auswahl des passenden Partners relevant sind. Schließlich zeige ich die verschiedenen Wege auf, wie Unternehmen ihren CO2-Fußabdruck ermitteln, reduzieren und kompensieren können und welche Vor- und Nachteile die jeweiligen Wege bieten.

 

Bevor es ins Eingemachte geht, möchte ich ein paar einleitende Worte zur allgemeinen Debatte rund um das Thema “CO2-Messung und -Kompensation” sagen, um den richtigen Rahmen für diesen Artikel zu setzen. 

 

Aktuelle Debatte zu “CO2-Fußabdruck ermitteln und kompensieren”

 

Dass Unternehmen früher oder später ihre Treibhausgasemissionen ermitteln müssen, u.a. weil Gesetze und Verordnungen diese Maßnahme implizieren, ist inzwischen Konsens. Ein Thema, das seitdem Kontroversen auslöst, ist das Kompensieren von Emissionen. “Während es für viele Unternehmen ein hilfreiches Tool zum Erreichen der Klimaziele ist, sehen andere darin Greenwashing”. Natürlich ist der Sachverhalt nicht ganz schwarz-weiß zu betrachten und die Wahrheit liegt je nach Unternehmenskontext dazwischen. 

 

Die CO2-Kompensation ist dann eine Greenwashing-Maßnahme, wenn Organisationen sich im gleichen Zug nicht auch Gedanken darüber machen, wie sie Emissionen konkret reduzieren und dafür eine Strategie (“Dekarbonisierungsstrategie”) ausarbeiten. Ist das der Fall, so ist die Kompensation der unvermeidbaren Emissionen als “hilfreiches Tool” zu werten und kein Greenwashing. Es ist daher wichtig, im Kontext der Messung und Kompensation des CO2-Fußabdrucks stets auch die CO2-Reduzierung mitzudenken, bestenfalls im Einklang mit der Wissenschaft. Über 2000 Unternehmen setzen sich daher mithilfe der Science Based Targets Initiative wissenschaftlich fundierte Reduktionsziele. 

 

Grundsätzlich gilt, dass die Reduzierung gegenüber der Kompensation zu priorisieren ist. Wenn dies, insbesondere in der öffentlichen Kommunikation, nicht erkenn- und nachvollziehbar ist, sehen sich Unternehmen dem Risiko des Greenwashingsvorwurfs ausgesetzt. 

 

Für die Anbieterauswahl bedeutet das, dass Anbieter, die auch die Entwicklung von Dekarbonisierungsstrategien begleiten oder zumindest im Prozess der CO2-Messung konkrete Reduktionsmaßnahmen aufzeigen, stärker gewichtet werden sollten.

 

Übersicht der Anbieter

 

Wie eingangs beschrieben, gibt es im Markt eine inzwischen unüberschaubare Anzahl an Anbietern mit unterschiedlichen Kompetenz-Schwerpunkten. Die Schwerpunkte sind allerdings nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, zumal inzwischen auch technologie-orientierte Anbieter aufgrund entsprechender Nachfrage individuelle Beratungsleistung anbieten. Um die Anbieter besser kontextualisieren und vergleichen zu können, hilft es diese in Kategorien einzuordnen mit dem Hinweis, dass die Grenzen zwischen den Kategorien fließend sind.

 

1. “CO2-Kompensation”

 

Hierzu zählen Anbieter wie Atmosfair, Klima-Kollekte oder Primaklima. Diese legen ihren Fokus auf die Entwicklung und Vermittlung von Klimaschutzprojekten, über die Organisationen ihre Emissionen kompensieren können. Die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks und/oder Entwicklung von Dekarbonisierungsstrategien gehört nicht zu ihrem Leistungsportfolio. 

 

Atmosfair hat in Hinblick auf die Qualität der Kompensationen, Transparenz sowie Leitung und Kontrolle von Stiftung Warentest in 2018 mit Abstand die Bestnote erhalten (“Sehr Gut” mit 0,6 Punkten). Auch Myclimate ist ein bekannter Anbieter für die Kompensation und wurde von Stiftung Warentest ebenfalls mit einer guten Note ausgezeichnet (2,2). Myclimate ordne ich jedoch nicht dieser Kategorie zu, da es auch Beratungsleistungen anbietet. 

 

2. CO2-Fußabdruck-Messung/-Bilanzierung (“Carbon Accounting”) durch SaaS-Anbieter

 

Hierzu zählen die technologie-getriebenen SaaS-Anbieter (i.d.R. Tech-Startups) wie Plan A, Planetly, Cozero, Normative, Sinai oder Sweep. Ihr Mehrwert liegt in der vereinfachten und teil-automatisierten Emissionsdatenerfassung und -darstellung mithilfe nutzerzentrierter Technologie. Informationen werden von den Unternehmen selbstständig eingetragen, das Tool aggregiert sie und werden zusammengefasst u.a. in einem Dashboard angezeigt:

 

Dashboard Plan A

Beispiel: Dashboard von Plan A

 

Hierbei habe ich mich gefragt, wie Anbieter wie Plan A und Planetly mit dem Thema “CO2-Reduzierung” (Dekarbonisierung) und “CO2-Kompensation” umgehen. 

 

Auf Nachfrage wird in beiden Fällen kommuniziert, dass sie Hilfestellungen in der Identifizierung von CO2-Einsparungspotenzialen im Sinne der CO2-Reduktion bieten. Inwieweit diese auf individuell beratender Tätigkeit basiert, wurde nicht abschließend geklärt. Klar ist jedoch, dass diese Tools den Vorteil haben, große Datenmengen zu verarbeiten, Benchmarks über viele Unternehmen hinweg zu erheben und entsprechende Handlungsempfehlungen für die CO2-Reduktion ableiten zu können. 

 

In Bezug auf die CO2-Kompensation bieten Plan A und Planetly inzwischen auch ein überschaubares Portfolio an Klimaschutzprojekten für die CO2-Kompensation an. Hier stellte sich die Frage, ob sie die Projekte selbst entwickeln oder dafür mit Partnern kooperieren und wenn ja, ob sie einen Aufpreis für die Vermittlung berechnen. 

 

Beide Anbieter kooperieren für die Kompensation mit Partnern zusammen, die Klimaschutzprojekte entwickeln oder anbieten. Plan A benennt in diesem Kontext konkret Patch and Puro.Earth. Planetly erwähnt keine konkreten Partner. Sowohl Plan A and Planetly setzen aber bei der Auswahl der Projekte auf Standards von Dritten setzen (u.a. Gold Standard), um die Qualität dieser Projekte zu gewährleisten. 

 

In Bezug auf einen möglichen Aufpreis, den Kund:innen für die Vermittlung zahlen müssen, sagt Planetly aus, dass die Projekte zum Marktpreis zzgl. einer Verwaltungsgebühr anbietet. Plan A sagt aus, dass die Kompensation im Rahmen des Angebotpakets “Pro”, welches ein dediziertes Modul für die Dekarbonisierung beinhaltet, angeboten wird.     

 

Eine Limitierung in beiden Fällen ist, dass ihre Projektportfolios im Vergleich zu anderen Anbietern begrenzt sind.

 

3. “Spezialisierte One-Stop-Shop-Beratungen” 

 

In diese Kategorie fallen Anbieter wie myclimate, South Pole und ClimatePartner. Die drei haben gemein, dass sie über 15 Jahre beratend tätig sind und ihre Geschichte in der Entwicklung von Klimaschutzprojekten begründet liegt. Schnell entwickelten sie sich weiter und sind jetzt als spezialisierte Beratungsunternehmen für die Messung, Reduzierung und Kompensation des CO2-Fußabdrucks – im weitesten Sinne also für die Entwicklung ganzheitlicher “Klimastrategien” – gefragt. 

 

Hier ist dann genauer zu schauen, in welchen Sektoren die Anbieter relevante Erfahrungen mitbringen. ClimatePartner z.B. hat Schwerpunkte im Bereich FMCG (“Fast Moving Consumer Goods”), Einzelhandel, Druck, Verpackung und Produktion. Andere Anbieter haben womöglich in anderen Branchen und Sektoren Erfahrungsschwerpunkte, die helfen eine passende Auswahl zu treffen.

 

Der Vorteil dieser Anbieter ist, wie grundsätzlich bei eingekauften Beratungsleistungen, dass diese einen Großteil der Arbeit abnehmen und aufgrund des Erfahrungswissens gezielt und effektiv vorgehen. Der Nachteil ist, dass diese Projekte ein hohes Budget erfordern. 

 

4. “Traditionelle Unternehmensberatungen”

 

In dieser Kategorie sind die “traditionellen Unternehmensberatungen” wie McKinsey, KMPG, Accenture etc. verortet. Diese seien der Vollständigkeit halber hier erwähnt, da sie keine unwichtige Rolle in der Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität spielen, jedoch für diese Übersicht und Leser:innen dieses Artikels weniger relevant sind.

 

5. “Gutachter”

 

Ebenfalls aus Gründen der vollständigen Abbildung des Anbieter-Marktes für die CO2-Messung sei für Deutschland beispielhaft der TÜV SÜD genannt, der u.a. den sogenannten “Corporate Carbon Footprint” (CCF), also die ermittelte CO2-Bilanz eines Unternehmens, verifiziert. Eine Verifizierung durch TÜV SÜD als akkreditierte Verifizierungsstelle für Treibhausgase belegt, dass eine CO2-Bilanz normkonform und korrekt erstellt wurde. So wird “zusätzliches Vertrauen in nachhaltiges Handeln im Klimaschutz geschaffen”.


Hierbei orientiert sich die Verifizierungsstelle an etablierten, internationalen Standards wie dem „Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol), dem Corporate Accounting and Reporting Standard“ sowie der „ISO 14064(1)“. Die Expert:innen prüfen und bestätigen schließlich die CO2-Bilanz gemäß GHG, ISO oder auch in Kombination. Neben dem TÜV gibt es weitere unabhängige Verifizierer, z.B. “Umweltgutachter” wie die GUTcert. 

 

Abschließend wird auch eine Urkunde ausgestellt, die sogenannte “Verifizierungsaussage”, die Unternehmen veröffentlichen können: 

Verifizierungsaussage TÜV

Quelle 

 

Die Verifizierung durch den TÜV macht vor allem dann Sinn, wenn ein Unternehmen die CO2-Bilanz “in Eigenregie” erstellt hat und sicherstellen möchte, dass diese richtig berechnet wurde. Aber auch Unternehmen, die für die CO2-Bilanzierung mit spezialisierten Beratungsunternehmen zusammenarbeiten, können über eine zusätzliche, freiwillige Verifizierung das interne und externe Vertrauen in die Bilanz stärken. 

 

Es sei an der Stelle noch erwähnt, dass Plan A und Planetly ihre entwickelte Methodik für die Berechnung eines Corporate Carbon Footprints durch den TÜV Rheinland haben zertifizieren lassen. Der TÜV Rheinland schreibt dazu

 

“Die von der PlanA.Earth GmbH [bzw. Planetly GmbH] entwickelte CCF-Methodik entspricht den Vorgaben des Greenhouse Gas Protocols, ist wissenschaftlich fundiert und entspricht dem Stand der Technik. Der Ansatz und die Prinzipien hinter der Methodik sind grundsätzlich geeignet, um den Corporate Carbon Footprint für ausgewählte Zielunternehmen zu bewerten. […]”

 

Unternehmen, die die Tools von Plan A oder Planetly nutzen, können sich also darauf verlassen, dass die zugrundeliegenden Berechnungen dem etablierten Standard des GHG Protocol entsprechen. Was diese Zertifizierung im Unterschied zur o.g. Verifizierung jedoch nicht aussagt, ist, ob die vom Unternehmen selbst eingegebenen Daten korrekt sind. Das ist eine wichtige Differenzierung und dazu später mehr. 

 

Relevante Entscheidungskriterien

 

Die folgenden fünf Entscheidungskriterien stellen eine Auswahl an Faktoren dar, die in der Auswahl und Entscheidung für potentielle Partner Berücksichtigung finden sollten. Sie sollten darüber hinaus um unternehmensrelevante Kriterien ergänzt werden, z.B. was den unternehmenseigenen Code of Conduct oder auch Anforderungen an die Sprache betrifft.

 

Zur Methodik zur Berechnung des Corporate Carbon Footprints 

 

Wie im letzten Kapitel beschrieben, gibt es verschiedene anerkannte Standards zur Berechnung von Emissionen. Diese sollten in jedem Fall im Entscheidungsprozess Berücksichtigung finden. Der wichtigste und verbreitetste Standard ist der des GHG Protocol. Darüber hinaus gibt es noch die erwähnte ISO 14064, welche stark an das GHG Protocol angelehnt ist, und das GLEC-Framework, welches speziell für den Logistik-Sektor entwickelt wurde. 

 

Wenn also Unternehmen Emissionen gemäß des GHG Protocol berechnen, dann dient dazu zum einen der Leitfaden für die Anforderungen des Standards und zum anderen die bereitgestellten Kalkulatoren und Tools, die kostenlos genutzt werden können. Das GHG Protocol stellt allerdings nicht für alle Industrien bzw. Sektoren passgenaue Tools bereit und kann auch nicht für alle Emissionsquellen eine entsprechende Berechnungsgrundlage zur Verfügung stellen. Ein Beispiel für eine solche Lücke ist z.B. die fehlende Grundlage für die Berechnung der Emissionen durch die Nutzung von (externen) Servern.

 

Aus diesem Grund stehen Unternehmen oft vor der Herausforderung diese Lücken selbst zu schließen. Das GHG Protocol verweist zwar auf Datenbanken von Dritten, deren Daten aber teilweise mühsam recherchiert und für die ggf. eine Lizenzgebühr fällig wird. Oft werden Emissionen in diesen Fällen geschätzt. Bestenfalls erfolgt die Schätzung dann auf Basis fundierter Berechnungsmodelle. Das GHG Protocol hat dazu einen Leitfaden entwickelt, da das Problem fehlender Daten insbesondere in Bezug auf Scope 3-Emissionen weit verbreitet ist. Der Leitfaden beinhaltet u.a. Anleitungen für die Anwendung verschiedener Kalkulationsmethoden.

 

Klimaschutzbeiträge und Steuern

 

Womöglich nicht ganz uninteressant ist die Frage, ob bekannt ist, dass Klimaschutzbeiträge unter gewissen Umständen steuerlich absetzbar sind. Unter den Anbietern für die CO2-Kompensation sind u.a. Atmosfair und Myclimate als gemeinnützige GmbH bzw. als Stiftung eingetragen. Es bedeutet, dass Kompensationszahlungen und Spenden, die an diese Organisationen getätigt werden, bis zu einer gewissen Höhe steuerlich absetzbar sind. Abgesehen davon ist bei gemeinnützigen Organisationen zudem davon auszugehen, dass die Gewinnmaximierung nicht im Vordergrund steht und so ein möglichst hoher Betrag in die ausgewiesenen Projekte fließt. Wie sich der Steuervorteil für Klimaschutzprojekte verhält, die von for-profit Anbietern angeboten werden, ist nicht bekannt und sollte daher jeweils erfragt werden. 

 

Qualitätsstandards für die Kompensation

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Qualität der Kompensationen zu überprüfen. Gemeinhin hat die CO2-Kompensation keinen guten Ruf, da gerade in den letzten Jahren rechnerische und kommunikative Diskrepanzen aufgedeckt wurden, die bei einigen Kompensationsdiesnstleistern den Verdacht des Greenwashings hervorriefen. Es ist wichtig darauf zu achten, dass Treibhausgasemissionen realistisch berechnet werden und die Klimaschutzprojekte von hoher Qualität sind. 

 

Um diese Einschätzung und Bewertung zu erleichtern, gibt es Qualitätsstandards, an denen man sich orientieren kann. Darunter gibt es zum Beispiel den “Gold Standard“ oder der “Verified Carbon Standard”, welche eine wichtige Orientierung für die Qualität der Projekte bietet. Eine Übersicht weiterer relevanter Qualitätsstandards wird von der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima bereitgestellt. 

 

Das Umweltbundesamt hat darüber hinaus ausführliche Kriterien für die Beurteilung der Qualität von Kompensationsanbietern und -angeboten aufgestellt


Kompensationszertifikate und “Klimaneutral-Label”

 

Viele der untersuchten Anbieter geben, sofern Unternehmen ihre errechneten Emissionen auch kompensieren, Zertifikate bzw. Labels heraus. Hier ist zu unterscheiden zwischen Zertifikaten, die bescheinigen, dass eine bestimmte Menge an Treibhausgasen kompensiert wurde (z.B. mit Atmosfair) und Labeln, die aussagen, dass ein Unternehmen oder ein bestimmtes Produkt “klimaneutral” ist. Ein solches wird z.B. auch von Planetly herausgegeben. 

 

Wichtig zu verstehen ist:

  1. Ein Zertifikat, das bescheinigt, dass ein Unternehmen eine bestimmte Menge an Treibhausgasemissionen kompensiert hat, sagt nichts darüber aus, wie hoch die Emissionen sind, die das Unternehmen tatsächlich verursacht.
  2. Ein “Klimaneutral-Label” signalisiert vor allem, dass das Unternehmen Kompensationszahlungen tätigt. Die Bedingungen für diese Zahlungen sind aber weder normiert noch vorgeschrieben. Der Begriff „klimaneutral“ ist kein geschützter Begriff. Das Label an sich sagt also z.B. nicht aus, ob der gesamte Lebensweg des Produktes oder nur der Herstellungsprozess berücksichtigt worden ist. Zudem erlaubt der Begriff keinen Rückschluss darüber, ob und inwieweit sich das Unternehmen für eine Reduktion der Emissionen (Dekarbonisierung) einsetzt.

 

Hinzu kommt, dass bei SaaS-Anbietern auf den ersten Blick nicht klar ist, inwieweit die von Unternehmen eingetragenen Daten für die Berechnung der Emissionen durch diese geprüft werden. Da Unternehmen die Tools in erster Linie selbstständig nutzen, können Nutzer:innen der Tools theoretisch beliebige Daten eingeben. Inwiefern der kalkulierte CO2-Fußabdruck die Realität abbildet, kann daher nicht abschließend beantwortet werden. Daher sollten Unternehmen bei der Auswahl unbedingt nachfragen, inwieweit das Tool bzw. Mitarbeiter:innen des Anbieters die Daten verifizieren. 

 

Auf Nachfrage sagen Plan A und Planetly beide aus, dass die Tools helfen einzuschätzen, ob die errechneten Emissionen realistisch und plausibel sind. Planetlys Einschätzung basiert auf den Erfahrungswerten für Unternehmen in vergleichbarer Größe im gleichen Sektor. Plan A geht ähnlich vor und hat Mechanismen in die Plattform eingebettet, die die Plausibilität der Daten prüfen. Hier ist davon auszugehen, dass die Prüfung vor allem datengesteuert und automatisiert erfolgt und nicht manuell durch Analysten für den individuellen Fall. 

 

Plan A positioniert sich in dieser Hinsicht gegen die Herausgabe eines eigenen Klimaneutral-Labels und betont die Wichtigkeit einer Dekarbonisierungsstrategie.

 

Wie aussagekräftig und glaubwürdig in diesem Zusammenhang “Klimaneutral-Label” sind, sei dahingestellt. Letztlich besteht aus Sicht der Unternehmen die Frage, welche “Message” es kommunizieren möchte, wie es Zertifikate und Label nutzt und vor allem kontextualisiert. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft das Bewusstsein für die Komplexität des Thema wächst und zunehmend kritische Fragen seitens der Verbraucher:innen gestellt werden.

 

Kompensationsprojekte, die zu den Unternehmenswerten passen

 

Ein Blick in die Projekt-Portfolios der verschiedenen Anbieter zeigt, dass die meisten eine große Auswahl an verschiedenen Klimaschutzprojekten aufweisen, ganz nach dem Motto “für jeden was dabei”. Von Projekten im Bereich Aufforstung über Abfallmanagement, Biogas und Biomasse zu erneuerbaren Energien (Solar, Wasserkraft, Wind) beinhalten ihre Portfolios teilweise bis zu hundert und mehr Projekte. Die meisten Anbieter finanzieren  Projekte vor allem im Globalen Süden.

 

Unternehmen entscheiden in der Regel selbst, welche Projekte sie finanzieren und können selbstverständlich bei Bedarf die Expertise und Beratung der Projektanbieter hinzuziehen. Wichtig ist hier, die Projekte entlang der eigenen Klimaschutzziele, der Marke und des Sektors auszuwählen und zu erfragen, inwiefern der Impact gemessen und nachgewiesen wird. 

 

Es sei an dieser Stelle noch angemerkt, dass sich Atmosfair gegen die Finanzierung von Aufforstung über CO₂-Zertifikate positioniert.

 

4 Wege von der CO2-Messung zur -Kompensation 


Die vorangegangenen Untersuchungen haben ergeben, dass Unternehmen vier Möglichkeiten haben ihren CO2-Fußabdruck zu ermitteln und zu kompensieren. Ich möchte hier jeweils die Vor- und Nachteile aufzeigen.

1. Berechnung der Emissionen “in-house” (ohne externen Partner) und anschließende Kompensation über spezialisierte Anbieter wie Atmosfair

  • Vorteile: geringe Kosten, hohe Personalisierbarkeit der Kalkulation
  • Nachteile: in-house-Erfahrung im “Carbon Accounting” vorausgesetzt, keine standardisierten Kalkulationsmethoden, zeitaufwändig, abschließendes Zertifikat trifft keine Aussage zur Klimaneutralität

 

2. Berechnung der Emissionen und Kompensation “in-house” mit Unterstützung durch SaaS-Tools

  • Vorteile: überschaubare Kosten, einfaches Datenhandling und -Reporting, standardisierte Kalkulationsmethode, bei Bedarf individuelle Beratung zubuchbar 
  • Nachteile: “Klimaneutral-Label” begrenzt glaubwürdig (oder nicht verfügbar), Kompensationsprojekte sind limitiert und enthalten womöglich einen Aufpreis

 

3. Berechnung und Kompensation des Fußabdrucks durch externe Beratungsunternehmen 

  • Vorteile: hoher Grad an Professionalität durch langjähriges Erfahrungswissen, Zeitersparnis durch umfassendes Outsourcing  
  • Nachteile: hohes Budget erforderlich, hohe “Abhängigkeit” von der externen Expertise  

 

4. Berechnung und Kompensation der Emissionen durch externe Beratungsunternehmen und anschließende Verifizierung durch unabhängige Zertifizierungsstelle

  • Vorteile: s. Punkt 3, zusätzlich hohe Glaubwürdigkeit der Treibhausgasbilanz
  • Nachteile: s. Punkt 3

 

Fazit

Der Untersuchung zeigt auf, dass der Anbieter-Markt für das Ermitteln, Reduzieren und Kompensieren des CO2-Fußabdrucks inzwischen sehr groß ist. Unternehmen haben verschiedene Möglichkeiten mit externen Partnern und ihren unterschiedlichen Kompetenz-Schwerpunkten zusammenzuarbeiten. Zu berücksichtigen sind bei der Auswahl des richten Partners die Auswahl der richtigen Entscheidungsfaktoren, interne Präferenzen und Kapazitäten sowie verschiedene Qualitätsparameter.

 

Vergleichende Anbieter-Übersicht

 

Hier geht es zur tabellarischen Übersicht: 

Anbieter-Übersicht als Tabelle