Titel: B Corp als Prozess

B Corp als Prozess vs. Projekt

In meiner Beratungspraxis beobachte ich, dass Unternehmen verschiedene Herangehensweisen an die B Corp-Zertifizierung haben, die sich folgendermaßen unterscheiden lassen: 

 

  1. B Corp als Projekt: Unternehmen sehen in der Zertifizierung in erster Linie ein Ziel, was dazu führt, dass B Corp als Projekt mit einem Anfang- und End- bzw. Zieldatum eingeführt wird. 
  2. B Corp als Prozess: Unternehmen nutzen das B Impact Assessment als Rahmenwerk für die (Weiter-)Entwicklung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne der B Corp-Philosophie. Für diese ist B Corp mehr ein langfristiger Prozess ohne konkretes Enddatum und die Zertifizierung “nur” ein Meilenstein.

 

Aus meiner Sicht kann und soll B Corp beides sein, Ziel (bzw. Projekt) und Prozess. Das eine schließt das andere nicht aus, aber das eine bedingt das andere. B Corp als Ziel zu setzen macht vor allem dann Sinn, wenn B Corp auch als Prozess verstanden wird.

Die Frage “welcher Ansatz soll uns dienen” ist deswegen relevant, weil die Implikationen teilweise schwerwiegend sind. Unternehmen sollten sich daher so früh wie möglich darüber im Klaren sein, um den Entscheidungsprozess auf und für den Weg der Zertifizierung so bewusst wie möglich zu gestalten. 

Das bedeutet, unter anderem:

 

B Corp ist eine Haltung

B Corp ist mehr als Zertifizierung. Es ist vor allem Haltung, Philosophie und Vision. Gerade darin liegt großes Wertschöpfungspotenzial. Wenn dieses nicht genutzt wird, hindert es Unternehmen zwar nicht daran sich zertifizieren zu lassen, gehen aber kulturelle und finanzielle Risiken ein. “Culture Eats Strategy for Breakfast”, lautet ein bekanntes Sprichwort und das gilt auch für den B Corp-Prozess. Zudem müssen sich Unternehmen alle drei Jahre re-zertifizieren lassen, was bedeutet, dass der langfristige Erfolg immer im Blick gehalten werden sollte. 

 

B Corp verändert die DNA des Unternehmens

B Corp setzt voraus, dass Unternehmen offen sind lang etablierte Strukturen und Prozesse zu hinterfragen, aufzubrechen und zu erneuern. Für viele Unternehmen geht damit nicht selten ein Kultur- und Mindset-Shift einher, der viel Reibung erzeugen kann. Die Folgen dessen sollten rechtzeitig antizipiert werden, um klare und bewusste Entscheidungen treffen zu können.

 

B Corp bedeutet Investment

Neben den offensichtlichen Kosten (Zertifizierungsgebühr, ggf. Beratung), müssen sich Manager:innen darauf einstellen, dass der Prozess weitere Investitionsbedürfnisse aufdeckt. Das betrifft z.B. die Einführung eines Umweltmanagementsystems oder eines Fortbildungsbudgets für alle Mitarbeitenden oder die Entwicklung einer kollaborativen Initiative zusammen mit Wettbewerbern.

Zudem sind die Personalkosten nicht zu unterschätzen. Wie Marcel Pietsch – Geschäftsführer von PNZ – sagte: “Wenn man die Kosten der Zertifizierung realistisch betrachtet, dann spielen die Lizenzgebühren keine wirkliche Rolle mehr; den meisten Aufwand erzeugt die Bindung der Mitarbeitenden im Prozess. Wir sind eine 45-köpfige Mannschaft (2020) und wir schätzen, dass wir etwa 200 Personenstunden in die Strategiefindung und 350 Personenstunden in die Erarbeitung des B Impact Assessments investiert haben.”

 

B Corp bedeutet Commitment

Der Enthusiasmus für B Corp ist nicht gleichbedeutend mit Commitment für B Corp. Wenn ich mit Menschen in Unternehmen spreche, die an der Zertifizierung interessiert sind, dann spricht oft die Begeisterung für die Sache. Aus Erfahrung weiß ich allerdings, dass Frustration die Kehrseite der Begeisterung ist, wenn Erwartungen nicht früh genug und richtig gemanagt werden.

Gerade dann, wenn B Corp als Projekt eingeführt wird. Dann ist es vor allem das: ein Projekt, das abgeschlossen und dessen Plan eingehalten gehört. Hier besteht die Gefahr, dass Potentiale übersehen, Abkürzungen genommen und Entscheidungen im Sinne des Projektplans und nicht im Sinne des Prozesses getroffen werden. Ein Merkmal, das darauf hindeutet, ist die Frage: “Wie viele Punkte bekommen wir, wenn wir diese Maßnahme umsetzen?”. Commitment bedeutet, dass Maßnahmen umgesetzt werden, weil sie zum gegeben Zeitpunkt Sinn machen und weniger, weil man dafür viele Punkte bekommt. 

 

Was bedeutet nun “B Corp als Prozess” genau? 

Idealerweise…

  1. … ist allen Mitarbeitenden das WHY – HOW – WHAT klar. Sie wissen, was B Corp bedeutet, warum das Unternehmen B Corp werden möchte und wie der Weg zur Zertifizierung die eigene Arbeit und Rolle täglich beeinflussen wird
  2. … ist die Unternehmensführung ist nicht passive “Beisitzerin” im Prozess, sondern Fürsprecherin, Sparringspartnerin und aktive Mitgestalterin
  3. … ist das Unternehmen bereit B Corp als Ganzes zu integrieren: in die Unternehmens- und Nachhaltigkeitsstrategie, in die Kultur und Organisationsstruktur

Ein guter Start sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen sind Workshops, die verschiedene Stakeholder in Unternehmen einbeziehen. Gemeinsam mit Partner:innen habe ich eine Reihe von Best Practice-Workshops entwickelt, bei denen Sie von langjähriger Erfahrung und Know-How profitieren.

 

Abschließend ein Zitat von John Featherby, der die B Corp-Bewegung in Großbritannien mitbegründet hat: 

 

“[Managing B Corp like a project] is not fundamentally wrong, but it is fundamentally not enough by itself to sustain a B Corp-esque way over the long term.”

 

Übersetzt: “B Corp als Projekt zu managen ist nicht grundsätzlich falsch, aber es reicht allein nicht aus, um langfristig einen B-Corp-orientierten Weg einzuschlagen.“

 

Weiterführende Quellen:

4 Voraussetzungen für die B Corp-Zertifizierung