B Corp & Mittelstand: Allos Hof-Manufaktur, erdbär und share berichten

Die B Corp Zertifizierung und ihre zugrundeliegenden Werkzeuge sind eine Möglichkeit, um ein nachhaltiges Handeln im Mittelstand voranzutreiben. Was sagen bereits zertifizierte, mittelständische Unternehmen dazu?

Dieser Artikel ist ein gekürztes, editiertes Transkript einer virtuellen Podiumsdiskussion, die im Januar 2021 stattfand. Mit dabei waren Anna-Catherine Senge, B Corp Coordinator bei der Allos Hof-Manufaktur GmbH, Natacha Neumann, Gründerin der erdbär GmbH, Iris Braun, Gründerin der share GmbH sowie Rob Gierke, Gründer von Purenessity. Moderiert wurde die interaktive Podiumsdiskussion von Shai Hoffmann, Sozialunternehmer, Moderator & Aktivist.

 

 

Shai: Natacha, ihr wart mit erdbär eine der ersten B Corps in Deutschland. Was war damals Eure Motivation?

 

Natacha: Von B Corp habe ich zum ersten Mal auf einer Konferenz gehört und ich habe mich sofort in die Idee von B Corp verliebt. Allein der Slogan “Business as a force for good” – das war für mich der Grund, warum ich ein Unternehmen gegründet habe und damit Gutes in die Welt zu bringen. Aber die Frage ist, wie misst man “gut” und wie misst man “besser werden”? Wir hatten eine Vision, aber keine KPIs dahinter. Die ursprüngliche Motivation war also B Corp als ein Mittel zur internen Messung zu nutzen. Wie gut sind wir und wie gut können wir noch werden? Woran müssen wir noch arbeiten, um noch besser zu werden?

 

Wie sehen ganz konkret die ersten Schritte aus, um B Corp zu werden?

 

Iris: Wir haben schon kurz nach der Gründung entschieden, dass wir eine B Corp werden wollen, weil uns die Möglichkeit gefehlt hat uns nach außen als Sozialunternehmen zu zeigen. Es gibt ja auch die Möglichkeit eine gGmbH zu gründen, das war aber aufgrund unserer Geschäftstätigkeit im Handel ziemlich schwierig. Wir sind eine normale GmbH, wollten aber eine Möglichkeit finden, um auch zu zeigen, dass wir kein normales, profitorientiertes Unternehmen sind, sondern soziale und ökologische Werte vertreten, dafür einstehen und uns auch daran messen lassen. 

Wie haben wir dann angefangen? Eigentlich recht einfach. Wenn man sich zertifizieren lassen möchte, gibt es zunächst einen ausführlichen Fragebogen, der alle Bereiche des Unternehmens abdeckt und auch abfragt, welche Ziele man sich gesteckt hat. Wenn man jetzt wie share ein Unternehmen ist, das schon im Unternehmenszweck ein soziales Ziel hat und im Kerngeschäft soziale Ziele verfolgt, dann ist das natürlich ein großer Vorteil, um die Zertifizierung zu bekommen. Aber auch Unternehmen, die schon länger existieren, können B Corp werden, wenn sie denn in vielen Bereichen aktiv sind. Ich hatte am meisten Sorge, dass die Zertifizierung oberflächlich ist und ich fand es sehr gut, dass es einen langen Fragebogen gab, sodass man viele Möglichkeiten hatte festzustellen, wo man gerade steht, und für das Unternehmen gleichzeitig herauszunehmen, was man noch machen kann, um noch besser zu werden. 

 

Wie schwer ist es für Unternehmen, die nicht mit einem bestimmten Purpose gegründet wurden, B Corp zu werden? Ist es für diese schwerer oder gar unmöglich?

 

Rob: In der Zusammenarbeit mit Führungspersönlichkeiten im Mittelstand gibt es noch Ängste, die auf einem alten Narrativ basieren, die es schwerer machen. Es gibt mehrere Paradigmen, die wir ändern müssen: 1. “Wenn es einen Gewinner gibt, gibt es einen Verlierer.” Bei B Corp aber können alle Stakeholder gewinnen. Das ist ein neues Narrativ. 2. Konsumenten, Menschen, Bürger wählen mit ihrem Geld. Investoren genau so. 3. Dann gibt es die alte Angst des Mangels und am Ende des Tages nicht genug zu haben. Das neue Narrativ ist stattdessen zu sagen “es gibt genug für alle”. 4. Von einem infantilen “instant gratification” hin zu einem reiferen “wir, zusammen, langfristig”. Wenn ein Business den Mut hat einem wahren Sinn und Zweck zu dienen, Sinn zu stiften, dann kommt auch der finanzielle Erfolg. Und dazu gibt es jede Menge Studien, die das belegen. 

 

Anna, wie geht man mit dem B Impact Assessment vor? Was hast Du als erstes gemacht im Unternehmen? Wie hast du Dich organisiert und was waren die Herausforderungen für Dich?

 

Anna: Unser Unternehmen ist nicht von Beginn an auf einem Purpose-Gedanken gegründet. B Corp ist auch erst nach unserer Gründung entstanden. Wir sind aber schon nachhaltig gewesen und dann kam B Corp dazu. Ich bin vor 3 Jahren eingestellt worden für die B Corp-Zertifizierung und das erste, was ich gemacht habe – und das kann ich wirklich jedem empfehlen – war mir das B Impact Assessment (BIA) anzuschauen. 

Wir sind in Deutschland ca. 200 Leute, d.h. da liegt das Wissen nicht bei einer Person, sondern es gibt Experten für jeden Bereich bei uns. Wir haben zudem zwei Produktionsstandorte und eine Verwaltung, d.h. wir sind nicht alle an einem Standort und die Informationen zusammenzusuchen ist etwas komplexer. Was ich tatsächlich gemacht habe ist “viele Klinken putzen”. Ich bin von einem Standort zum anderen gefahren und habe mit den Leuten geredet und Fragen aus dem B Impact Assessment gestellt.

Was man nicht unterschätzen darf ist zudem der Zeitaufwand diese Informationen zu sammeln. Ich habe mich z.B. beim Einkauf, wo ich nicht viel wusste, neben die Einkäufer gesetzt und die haben mir erklärt, was die jeden Tag machen und dann habe ich die Fragen aus dem BIA gestellt gemäß “was wir schon tun” und “ob wir da nicht noch mehr tun können”. Genau darin besteht auch der Transformationsprozess, der automatisch angestoßen wird, wenn man sich mit den Fragen des B Impact Assessments beschäftigt. Alleine durch das Fragen kommen Themen auf den Tisch, anhand derer man sich weiterentwickeln kann und die im Unternehmen Tragweite entwickeln. 

 

Wie geht man denn mit internen Widerständen um? Wie geht man mit Mitarbeiter*innen um, die womöglich den Sinn dahinter nicht verstehen? Wie bist Du damit umgegangen?

 

Anna: Auf jeden Fall freundlich! 🙂 Das ist mein Tipp für alle. Es ist ja so, dass mit einer neuen Zertifizierung mehr Arbeit auf die Leute zukommt. Und es ist okay, wenn die Leute erst einmal nicht verstehen, warum man das tut, aber wenn man sich mit denen zusammen hinsetzt und genau erklärt, warum das für einen wichtig ist und damit überzeugt, dann sind das auch die Leute, die einem viel Rückhalt geben können für Nachhaltigkeitsthemen. Daher würde ich Widerstände gerade als Chance sehen. 

 

Was kostet die Zertifizierung neben den Zertifizierungsgebühren? Denn auch die Ressourcenbindung kostet ja Geld. Und gibt es einen Return on Investment?

 

Natacha: Wir machen die B Corp-Zertifizierung nicht wegen der B Corp-Zertifizierung. Wir machen die Zertifizierung, um zu schauen, was wir ändern müssen, um sozialer und nachhaltiger zu werden. Es ist ein weiteres Tool, um uns selber zu messen und um zu schauen, dass wir unsere (Impact-)Ziele erreichen. Die Zertifizierung ist nur ein Weg um dieses Commitment teamübergreifend zu leben und intern nach vorne zu treiben. 

 

Iris, würdest Du sagen, dass das Zertifikat auch in der Außenkommunikation einen Vorteil bringt? Kaufen Leute share-Produkte, weil share B Corp-zertifiziert ist?

 

Iris: In den USA wäre das vielleicht der Fall, aber in Deutschland sind wir noch nicht soweit. Wir nehmen das Thema aber mit in Gespräche mit Handelskunden. Die finden es immer gut, wenn es eine externe Instanz gibt, die zustimmt, dass Du Dich besonders anstrengst. Für die Kunden müssen wir noch ein wenig “Lobbyarbeit” betreiben, dass B Corp bekannter wird. Wie Natacha auch gesagt hat, der erste Effekt für uns war selber zu erkennen, wo wir gut sind und wo wir noch besser werden können.

 

Was passiert beim Rezertifizierungsprozess? Ist der Prozess aufwändiger?

 

Natacha: Der Rezertifizierungsprozess war mehr Arbeit als die Erstzertifizierung, was daran liegt, dass wir sehr stark gewachsen sind. Es gab viele neue Leute und neue Prozesse. Also wenn sich das Unternehmen stark ändert und wächst bedeutet es, dass die Rezertifizierung nicht einfacher wird. Zudem ändert sich auch das B Impact Assessment, es kommen Fragen hinzu und sie gehen tiefer. 

 

Iris: Auch bei uns hat die Rezertifizierung mehr Arbeit gemacht, genau aus dem gleichen Grund. Aber das Gute ist, dass wir uns an Fragen erinnern, wie z.B. “haben wir schon was getan, um unsere Energieversorgung im Büro umzustellen, um unseren Verhaltenskodex für unsere Zulieferer anzugehen oder um uns weiter in der (lokalen) Gesellschaft zu engagieren?”. Viele der Kategorien sind zudem erst relevant geworden, als wir größer geworden sind, z.B. was das Thema Abfallentsorgung angeht. 

 

Wie sieht es aus mit Tochterunternehmen bzw. Unternehmen mit verschiedenen Marken. Wird das ganze Unternehmen zertifiziert oder können auch einzelne Tochterunternehmen und Marken zertifiziert werden?

 

Anna: Wir sind in Europa in sieben Ländern vertreten. Wir sind in Deutschland aber ein eigenes Unternehmen, d.h. die Allos Hof-Manufaktur ist in Deutschland ein eigenständiges Unternehmen, aber Teil eines Konzerns. Und jedes von unseren Schwesterunternehmen und auch wir haben uns eigenständig zertifizieren lassen. Wir haben aber seit 2019 eine Gruppenzertifizierung, das bedeutet dass jedes Unternehmen unserer Gruppe jetzt zertifiziert ist, womit wir auch das erste lebensmittelproduzierende Unternehmen in Europa waren, das eine B Corp Gruppenzertifizierung hatte. 

Shai: Vielen Dank an die Panelist*innen Anna, Iris, Natacha und Rob. Danke auch an die tatkräftige Unterstützung von Volvic, Franziska Weber, Linda Schumacher, Sarah Gaspers und Laura Knoll sowie B Lab Europe und Expansion.eco, Johanna Mager und Annabelle Koch. 

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Weiterführende Links zum Thema B Corp im Mittelstand:

Artikel: Wie Nachhaltigkeit die Zukunftsfähigkeit des deutschen Mittelstands prägt (Rob Gierke)

Community Plattform für Zebra-Unternehmen: New Mittelstand