“Done with B Corp”: Eine kurze Wertereflektion
„Done with B Corp“ – so und ähnlich lauteten Linkedin-Beiträge von Gründer*innen, die ihr Unternehmen nicht mehr von B Lab rezertifizieren lassen wollen. Sie scheinen damit einen Nerv getroffen zu haben, denn die Beiträge gingen viral. Die B Corp-Zertifizierung ist demnach nicht mehr das, was sie einmal war: eine Zertifizierung für Pionierunternehmen mit einem „ethischen Verständnis von Business“ („ethical business“).
Ein paar Gedanken dazu:
1. Die B Corp-Standards sind, was sie sind.
B Labs Standards für die Zertifizierung haben sich in den letzten sechs Jahren nicht substanziell geändert, sodass es gerechtfertigt wäre, der Organisation vorzuwerfen, plötzlich Unternehmen mit „fragwürdiger Ethik“ zu zertifizieren.
Das Ziel der Organisation lautet „transforming the global economy into a more inclusive, equitable and regenerative system“. Nimmt man das ernst, kann man es eigentlich nur begrüßen, wenn auf diesem Weg auch große Konzerne zertifiziert werden. Die globale Wirtschaft besteht nicht nur aus Pionieren – und für eine umfassende Transformation braucht es genau diese Unternehmen. Es ist m. E. kein Zufall, dass B Corp als Bewegung dann an Momentum gewonnen hat, als diese zertifiziert wurden.
Etwas anderes ist es, zu kritisieren, dass die Standards womöglich nicht mehr zeitgemäß sind, oder festzustellen, dass sie den eigenen Ansprüchen nicht mehr genügen.
2. Was ist mit „ethischem Business“ gemeint?
Tatsächlich nutzt B Lab selbst das Wort Ethik nur selten, verwendet aber häufig Wertebegriffe wie Inklusivität, Gerechtigkeit, Fairness etc. Es ist daher naheliegend, dass viele B Corp mit einer Art ethischerem Unternehmertum gleichsetzen. Dabei handelt es sich um Begriffe, die Projektionsfläche bieten: Jede*r versteht etwas anderes darunter und verbindet damit unterschiedliche Erwartungen. Die Begriffe werden so „persönlich“ und so ist auch nachvollziehbar, dass Menschen emotional reagieren, wenn die damit verknüpften Erwartungen nicht erfüllt werden.
Das zeigte sich nicht zuletzt auch in der Herausforderung für B Lab, bei geopolitischen Konflikten konsistent Stellung zu nehmen. Nach der Invasion Russlands in die Ukraine hat sich die Organisation deutlich positioniert und ein Zertifizierungsmoratorium für Unternehmen verhängt, die in Russland operativ tätig sind.
Beim aktuellen Nahostkrieg hat B Lab dagegen bis heute (soweit mir bekannt) keine Stellung bezogen – was die Frage aufwirft, welchem Wertebegriff die Organisation konkret folgt.
Letztlich gilt: diese Werte funktionieren paradox, weshalb Konflikte dieser Art erwartbar sind.
➡ Es ist daher ratsam, dass Unternehmen Klarheit über ihre eigenen Werte schaffen, wenn sie sich zertifizieren lassen wollen.
3. B Labs Werte: mehr Gerechtigkeit, Fairness, Diversität, Inklusion, Regeneration
Die o.g. Werte übersetzt B Lab in einen Fragenkatalog (B Impact Assessment), der Unternehmen hilft, sie zu operationalisieren. Grundsätzlich gilt aktuell: desto mehr operationalisiert wurde, desto wahrscheinlicher die Zertifizierung, desto höher die Bewertung.
Was eine Stärke des Assessments ist (Praxisbezug), kann sich zugleich problematisch für Unternehmen auswirken: Unternehmen werden dadurch incentiviert, Werte zu operationalisieren, die möglicherweise nicht ihren entsprechen bzw. nicht für sie funktionieren.
Beispiel: Unternehmen, die Prinzipien der Selbstorganisation implementiert haben, erhalten im Assessment mehr Punkte als Unternehmen, die eher hierarchisch organisiert sind – möglicherweise, weil angenommen wird, dass Selbstorganisation grundsätzlich „fairer“ ist? Dadurch, dass es mehr Punkte gibt, können Unternehmen dazu geneigt sein, Prinzipien unhinterfragt einzuführen.
Aus organisationsentwicklerischer Sicht sollte aber zunächst die Frage gestellt werden, ob die notwendigen Kompetenzen im Unternehmen vorhanden sind (oder geschaffen werden können), um Selbstorganisation funktional einzuführen.
➡ Zentral für den B Corp-Standard ist, dass Unternehmen sich kontinuierlich verbessern. Es liegt daher nahe, den Punkten hinterherzurennen. Gerade vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen sich gut überlegen, wie sie mit organisationalen Veränderungen durch den B Corp-Prozess umgehen. Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, kann in der Organisation zu viel Durcheinander, Frust und letztlich unnötiger Ressourcenverschwendung führen.
Es bleibt spannend, wie B Labs neue Standards funktionieren. Erste Einblicke in den Entwurf gibt es hier.
Fragen und Rückmeldungen gerne via karry@karryschwettmann.com