B Corp Workshop für Großunternehmen

Wenn ein Großunternehmen nachhaltiger werden will. Insights aus einem B Corp Workshop

Anfang Dezember 2020 hielt ich zusammen mit meinen B Leader Kolleg*innen Sina und Andrea einen virtuellen B Corp Workshop für ein Großunternehmen im Modebereich, an dem 12 Mitarbeiter*innen quer durch die Organisation teilgenommen haben. Das Ziel war es Impulse für den Mode-Einzelhandel von morgen zu setzen und innovative Ideen entlang der 5 Säulen des B Impact Assessments zu entwickeln. Diese sind: Unternehmensführung, Mitarbeiter*innen, Gesellschaft, Kund*innen und Umwelt.

 

“Warum kriegen wir es nicht hin?”

 

B Corp Workshop Mural Board

 

An Ideen mangelte es nicht. Ganz im Gegenteil, die Ideen waren zahlreich und von Weitsicht, Vision und Optimismus geprägt, dass wir zuweilen darauf achten mussten, dass wir nicht über das Ziel hinausschießen. Wenn Kleidung nur noch nach Bedarf produziert werden soll, ein Laden nicht mehr nur Verkaufsfläche, sondern Ort des voneinander-Lernens ist, und Mitbewerber als Kollaborateure und nicht als Konkurrenz gesehen werden, dann liegt die Zukunft ganz und gar nicht fern. Aber woran scheitert dann die Übersetzung in die Realität? 

“Warum kriegen wir es nicht hin?”

“Was kann ich tun, um meinen Impact ausüben zu können?”

“Warum belohnen wir die Idee, aber nicht die Umsetzung?”

Es sind bekannte Fragen. Fragen, die auf Ohnmacht hindeuten. Mir begegnen sie immer wieder, doch auf komplexe Probleme gibt es keine einfache Antworten. Es gibt millionen Stellschrauben, an denen wir gleichzeitig drehen können, jede*r in seinem/ihrem Wirkungsbereich. Und der Workshop hat eindeutig gezeigt: jede*r will wirksam sein. 


Menschen geben nicht Verantwortung ab, sie wird ihnen genommen


Doch Wirksamkeit geht nicht nur in eine Richtung. Wirksamkeit bedeutet das eigene Handeln im größeren Zusammenhang zu betrachten und zu verstehen, dass Wirkungsweisen nicht linear verlaufen, sondern interdependent sind. Das bedeutet, dass das eigene Wirken immer auch in Abhängigkeit vom Wirken anderer ist. 

Im Workshop fielen oft die Wörter “Selbstbestimmung”, “(Selbst-)Verantwortung” und “Ownership”. Es zeigt, dass sie sich wünschen selbstbestimmter zu arbeiten, mehr Verantwortung bei der Arbeit zu übernehmen und ihrer Kreativität mehr Raum zu geben, denn – wie gesagt – an Ideen mangelte es nicht. Es unterstreicht, was meines Erachtens noch nicht oft genug betont wurde, dass Menschen gerne Verantwortung übernehmen. Menschen geben nicht Verantwortung ab, sie wird ihnen genommen.

 

Manchmal liegt die Lösung näher als wie denken

 

Zum Ende des Workshops hat ein Teilnehmer von einem Fall berichtet, wo sein Team (eines Ladens) selbstorganisiert eine Idee bis zur Umsetzung gebracht hat. Ohne sein Zutun. Es war ein voller Erfolg und hat in der Runde Begeisterung hervorgerufen und Beifall geerntet. Teilnehmer*innen fragten anschließend, ob sie sich zum späteren Zeitpunkt nochmal mit ihm dazu austauschen könnten. Ich bin mir sicher, dass diese Erzählung eine Best Practice ist, die die Teilnehmer*innen weiter in die Organisation tragen werden und dazu anregen ihrerseits Ähnliches auszuprobieren. 

Der Fall zeigt, dass Innovation bereits passiert. Oft passieren diese im Kleinen, fernab der Innovations-Spotlights, die durch CEO, C-Level und Management geschaffen werden. Manchmal müssen wir nur etwas genauer hinschauen. Der Fall zeigt auch, dass Menschen und Teams das Potential haben Lösungen zu entwickeln, wenn der Raum dazu gegeben ist. Und was ist erst möglich, wenn dieses Potential systematisch betrachtet würde? Wenn Bottom-Up-Ansätze Teil der gelebten Praxis, Teil der Kultur wird? Welche Wege gibt es für Lösungen, Innovation und Ideen, die bei Erfolg im wahrsten Sinne des Wortes “hochskaliert” werden?

 

Den Mut haben über den Wandel zu sprechen

 

Dazu ist Austausch wichtig, denn wenn Projekte auf Graswurzelebene umgesetzt werden, dann sollten die äußeren Konditionen so gestaltet werden, dass diese ihre volle Kraft entfalten können. Durch die Bildung von Orten und Plattformen, in welchen dieser ermöglicht und gefördert wird. Auch der B Corp Workshop war ein solcher Ort. Oder durch mehr selbstorganisiertes Arbeiten, wofür es bereits jede Menge erfolgreiche Vorbilder gibt. Viele Wege führen zum Ziel, mehr integrativer Austausch ist oft ein guter erster Schritt.

 

Eine der Teilnehmer*innen schrieb am nächsten Morgen eine Mail an die Runde:

Ich habe mich gestern nach unserem Workshop sehr inspiriert auf den Nachhauseweg gemacht. Vielen Dank für diesen Austausch und Anstoß. Es herrscht Unsicherheit und wenig Optimismus in unserer Branche und dass wir den Mut haben, jetzt über den Wandel zu sprechen und ihn auch anzustoßen, finde ich großartig. Das musste ich jetzt einmal loswerden!

 

B Corp Workshop AHA Slide

 

Mode ist nicht gerade bekannt dafür nachhaltig zu sein. Im Wesen ist Mode sogar per se unnachhaltig, denn sie lebt vom Wechsel der Trends und Jahreszeiten, die Kleidung bereits nach kurzer Zeit obsolet erscheinen lassen. Die Modeindustrie muss sich von Grund auf ändern, das wissen nicht nur die jungen, nachwachsenden Unternehmen, sondern längst auch die “Fast-Fashion-Riesen”. 

 

“People don’t resist change. They resist being changed”

 

Wir tendieren dazu Großunternehmen zu unterschätzen. Weil wir die Menschen, die darin arbeiten, oft nur im Licht des trägen Riesens sehen. Das Problem sind in der Regel nicht die vielen Menschen, die in Organisationen arbeiten, sondern die Systeme, in denen wir handeln. Dafür braucht es wiederum Menschen „in Führung“, die den Mut haben Systeme neu zu denken und Verantwortung auf breiter Ebene zurückzugeben. Peter Senge, ein Forscher der Organisationsentwicklung, sagte dazu: “People don’t resist change. They resist being changed!”.