Das Potential von B Corp im Einzelhandel

 

In den USA und Großbritannien sind “Zertifizierte B Corps” im Lebensmitteleinzelhandel sowie in Drogeriemärkten längst nicht mehr wegzudenken. Zuletzt hat auch Albert Heijn als größte niederländische Supermarktkette B Corp für sich entdeckt und Anfang 2020 den B Corp-Shop (online) eröffnet. Wie sieht das Potential von B Corp für den Einzelhandel in Deutschland aus?

Hilft B Corp auf dem Weg zum nachhaltigen Einkauf am Point of Sale? Oder sind Verbraucher*innen schon längst überfordert mit Informationen? Welche Rolle spielt der Einzelhandel für den nachhaltigen Wandel im Konsumverhalten? 

Im Rahmen einer virtuellen Paneldiskussion hat Moderator & Sozialunternehmer Shai Hoffmann mit Daniel Duarte (koawach), Kay Bukmaier (happybrush), Marc Widmer (Danone Waters), Vanessa Kuth (The Organic Food Consultant) und mir über das Potential von B Corp für den Einzelhandel in Deutschland gesprochen. 

Hier folgt ein gekürztes, editiertes Transkript des Panels, welches im Mai 2021 stattfand. 

 

Die Kernaussagen

 

  • B Corp ist als Zertifizierung in Deutschland noch nicht so bekannt. Konsument*innen verstehen nicht was dahintersteckt.
  • Das gilt auch für die Einkäufer*innen im Lebensmitteleinzelhandel und in den Drogeriemärkten. Hier muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.
  • B Corp hilft Nachhaltigkeit in Produkten ganzheitlich zu denken, was Konsument*innen und insbesondere Shopper*innen am Point of Sale Orientierung bietet.
  • B Corps haben das Potential gemeinschaftlich breite Aufmerksamkeit zu stiften (Stichpunkt B Corp-Regal) und so Konsument*innen neugierig zu machen und diese zu informieren.
  • In Deutschland muss der „B Corp-Stein“ noch ins Rollen gebracht werden. Der Blick nach Großbritannien oder in die Niederlande zeigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist.

 

 

„Stakeholder-orientiert arbeiten“

 

Shai: Daniel, ihr seid 2014 mit koawach gestartet, seid Fairtrade-zertifiziert und kooperiert mit ClimatePartner. Was hat euch bislang abgehalten B Corp zu werden?

Daniel: Für uns als Firma war der erste Schritt stakeholder-orientiert zu arbeiten mit Rücksicht auf Kunden, Mitarbeiter, Umwelt und insbesondere Zulieferer. Da war es zunächst wichtig, für die bekannten Themen “Bio” und “Fairtrade” (gerade im Hinblick auf Kakao) und später das Thema CO2-Neutralität anzugehen. Da haben wir zunächst die Siegel gewählt, die der Handel und der Kunde bereits kennt. 2014, als wir gestartet sind, war B Corp einfach noch nicht so bekannt in Deutschland. Aber das heißt nicht, dass wir das nicht noch werden können :). 

Shai: Wir reden ja heute über das Potential von B Corp für den Einzelhandel und das setzt voraus, dass der Einzelhandel das Potential von B Corp erkennt. Kay, ihr (happybrush) seid ja ein sehr junges B Corp-Unternehmen – wie ist deine Wahrnehmung als Head of Sales, wenn du rausgehst und versuchst happybrush bei Einzelhändlern zu platzieren oder eine Listung zu bekommen? Wird B Corp als Mehrwert erkannt? Gibt es dadurch Vorteile?

Kay: Wir sind seit August letzten Jahres B Corp-zertifiziert, stolz wie sau natürlich und sind dann mit dieser tollen Botschaft direkt rausgegangen. Ich bespreche das Thema B Corp auch mit allen Kunden und es ist da immer mit dabei in Präsentationen. Was dabei schnell aufgefallen ist, dass es einige Ansprechpartner gab – Einkäufer in der Drogerie – die das Zertifikat gar nicht kennen. Da müssen wir also noch starke Pionierarbeit leisten, viel erklären und informieren. Grundsätzlich erhalten wir gutes Feedback, aber es ist schade, dass das Label noch recht unbekannt ist. D.h. momentan kann es noch nicht dazu genutzt werden z.B. eine Listung zu bekommen. 

Shai: Woran, glaubst Du, liegt das? 

Kay: Aus meiner Sicht ist es die fehlende Bekanntheit. Zum anderen hat der Einkäufer aber ein Stück weit noch andere [finanzielle] Ziele. Da ist es oft so, dass andere Themen wichtiger sind und wir stärker informieren müssen, was der Mehrwert von B Corp ist, sodass sie dem mehr Gewicht schenken und auf die gleiche Stufe mit den finanziellen Zielen stellen. 

 

B Corp hilft Produkte „zuende zu denken“

 

Shai: Das führt mich zu Vanessa. Wir sprachen davon, dass der Einzelhandel erstmal das Potential von B Corp erkennen muss. Was bedarf es denn den Wertekanon an die Shopper*innen zu vermitteln?

Vanessa: Ich habe die letzten Jahre als Einkäuferin im Bio-Großhandel gearbeitet und da ist das erste Kriterium zunächst einmal “bio”, dann “Fairtrade”. Dann ist es aber auch so, dass Hersteller von den Konsumenten und den Ladnern Kritik bekommen, wenn ein Produkt nur “bio” ist, aber nicht weiter gedacht wird. Weil wer will als Konsument ein Produkt kaufen, das bio ist, aber von einem Unternehmen kommt, das seine Mitarbeiter schlecht bezahlt? Von daher ist es für den Einkäufer ein Kriterium, dass ein Produkt “zuende gedacht” wird.

B Corp ist noch nicht so bekannt, aber ich sehe darin trotzdem ein ganz großes Potential, weil es für mich die verschiedenen Siegel vereint und zudem [Wirkung] messbar, transparent und nachvollziehbar macht. Unheimlich wichtig wäre aus meiner Sicht, dass B Corp noch stärker kommuniziert und es anfassbarer macht. Wenn ich durch einen Laden gehe, dann möchte ich wissen, was hinter B Corp steht und was ich konkretes Gutes tun kann, wenn ich das Produkt kaufe.

Shai: Und das beziehst du auf den Einkäufer oder auf die Shopper?

Vanessa: Man sollte als Unternehmen nie nur daran denken “wie man den Einkäufer überzeugt”. Wenn ein Produkt nur einkauft wird, wird es längst nicht auch verkauft. Es muss bedacht werden “wie überzeuge ich den Einkäufer, den Ladeninhaber, den Mitarbeiter, der auf der Ladenfläche arbeitet und den Konsumenten”. Und da greift wieder sehr gut der Stakeholder-Ansatz von B Corp, der all diese berücksichtigt.

 

Was für ein Unternehmen wollen wir sein?

 

Shai: Ich stell mir das sehr herausfordernd vor. Ich kann mir vorstellen, dass Shopper*innen schon mit einem Siegel überfordert sind und wenn du sagst, dass B Corp ein “Korb an Siegeln” ist, dann ist das doch wahnsinnig komplex in der Übermittlung. Da frage ich mich, passiert diese Aufklärung am Point of Sale oder schon vorher, durch z.B. PR?

Vanessa: Ich denke, das läuft mehrgleisig. [Aufklärung] muss natürlich am Point of Sale stattfinden, z.B. durch ein Regal, in dem nur B Corp-Produkte stehen, das dann viel Aufmerksamkeit bringt. Da wird auch jemand, der sich nicht auskennt, fragen, was dahinter steckt. Wenn wir sehen, wie “bio” in den 80er-Jahren angefangen hat und wo “bio” heute steht – da müssen wir die Entwicklung betrachten. Da kann man sagen “es ist noch nicht bekannt”, aber dann muss man sich auch fragen “was wollen wir erreichen?, wozu wollen wir die Welt machen?”.

Shai: Marc, was sind die Beweggründe für so einen großen Player wie Danone B Corp zu werden? Ihr könntet Euch ja theoretisch auch irgendein anderes Siegel benutzen?

Marc: Es geht am Ende nicht um ein Siegel, es geht darum was wir sein möchten. Um die Haltung, die – wenn wir in die Geschichte zurückblicken, die 1972 begonnen hat – unser Vor-vor CEO bereits formuliert hat: es geht nicht nur um’s Shareholder Value, um die wirtschaftlichen Ziele, sondern auch um soziale Ziele. […] 2019 sind wir zertifiziert worden und jetzt gehen wir in die Re-Zertifizierung. Dafür müssen wir uns verbessern und anstrengen. Es werden ja nicht alle zertifiziert, die das wollen und viele bestehen das Assessment nicht. Bei Danone haben wir das Ziel bis 2025 komplett B Corp-zertifiziert zu sein. Wir sind momentan 33 Unternehmenseinheiten und etwa 50% vom weltweiten Umsatz stammt von B Corp-zertifizierten Einheiten. 

 

Gemeinsam mit anderen B Corps auftreten

 

Shai: Wir schauen mal über den kleinen Teich, nach Großbritannien. Wir schauen uns Einzelhändler an: Waitrose, Albert Heijn und neuerdings [die Drogeriemarktkette] Boots . Was machen die Einzelhändler*innen anders bzw. was macht der Einzelhandel in Deutschland noch nicht? 

Karry: Zum Kontext – Waitrose hat 2019 als erster Einzelhändler entschieden ein B Corp-Regal einzuführen. Die Kooperation war (ist) sehr erfolgreich und hat später dazu geführt, dass ein weiterer Onlinehändler, Ocado, nachgezogen ist und ebenfalls ein Online-B Corp-Regal eingeführt hat. Da entsteht eine positive Feedback-Loop. Das Label auf dem Produkt wird das Bewusstsein für B Corp am Point of Sale nicht unbedingt fördern, dafür aber die Gemeinschaft. Dazu gehört so eine Maßnahme wie z.B. das B Corp-Regal. Wenn Marken gemeinschaftlich auftreten, dann erweckt das wesentlich mehr Aufmerksamkeit als in diesem einen kurzen Moment, wo der*die Shopper*in am Regal steht und sich für ein Produkt entscheidet.

Diese positive Feedback-Loop führte sogar dazu, dass Marken gesagt haben, sie möchten B Corp-zertifiziert werden, um u.a. die Chancen zur Listung zu erhöhen. Wenn wir dann in die Niederlande schauen und zu Albert Heijn, dann denke ich steht uns das in Deutschland auch bevor und es ist nur eine Frage der Zeit, wann es soweit ist und der Einzelhandel das Potential von B Corp erkennt. 

 

Dieses Transkript gibt die ersten 30 Minuten des Panels wider.