B Corp vs. EcoVadis: Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Besonderheiten

 

Seitdem die B Corp-Bewegung in Deutschland Fahrt aufnimmt, fragen immer mehr Unternehmen in Deutschland, inwiefern sich die B Corp-Zertifizierung und das EcoVadis-Rating unterscheiden. Dieser Artikel befasst sich mit einer vergleichenden Übersicht hinsichtlich der Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Besonderheiten. Im Folgenden bezeichne ich B Corp und EcoVadis hin und wieder als “System”, da es nicht die eine gemeinsame Bezeichnung gibt und der Begriff neutral ist.

 

Wer die detaillierte Ausführung überspringen möchte, findet zum Schluss des Artikels einen tabellarischen Vergleich und eine Zusammenfassung der Key Takeaways.

 

Transparenznotiz: EcoVadis hat für diesen Artikel Informationen zum Rating und der Bewertungsmethodik zur Verfügung gestellt. Ich lade zudem ausdrücklich dazu ein, diese Gegenüberstellung laufend zu erweitern. Für Feedback freue ich mich über Nachricht an karry@karryschwettmann.com.

 

Einführung

 

Ein Vergleich zwischen EcoVadis und B Corp ist nur bedingt möglich, da die Zielsetzungen der zugrundeliegenden Systeme sehr unterschiedlich sind. “EcoVadis” meint in erster Linie eine tech-basierte Plattform für Nachhaltigkeitsratings, “B Corp” dagegen eine globale Bewegung und Zertifizierung für Unternehmen, die nach dem Stakeholder-Ansatz wirtschaften. 

 

Nichtsdestotrotz gibt es auch einige Parallelen, die zurecht die Frage aufwerfen, welches System nun das passende ist. Um sich der Frage zu nähern, beginnt diese Übersicht mit den Unterschieden, gefolgt von einem Abschnitt zu den Gemeinsamkeiten und zwei Besonderheiten zu B Corp. Aufgrund der begrenzten Vergleichbarkeit geht es in diesem Artikel also nicht um eine Einschätzung von Vor- und Nachteilen, sondern um eine Gegenüberstellung, die deutlich macht, worauf Entscheider*innen in Unternehmen achten sollten.  

 

Die Unterschiede

 

Werfen wir zunächst einen Blick auf Vision und Mission von B Corp bzw. EcoVadis:

 

B Corp: “Das B Corp Movement ist eine globale Bewegung von Unternehmen, die aktiv eine nachhaltige, soziale und faire Zukunft vorantreiben. Sie verpflichten sich in ihrer Satzung verbindlich dazu, die Bedürfnisse aller Interessensgruppen (Stakeholder) zu berücksichtigen.” (gekürztes Mission Statement)

 

EcoVadis: “Wir stellen uns einen globalen Marktplatz vor, auf dem Nachhaltigkeitsintelligenz jede Geschäftsentscheidung beeinflusst – zur Verbesserung der Wirtschaft, des Lebens der Menschen und des Planeten. Unsere Mission ist es, die weltweit zuverlässigsten Nachhaltigkeitsratings anzubieten, die es allen Unternehmen ermöglichen, Risiken zu reduzieren, die Leistung zu steigern und die ökologischen und sozialen Ergebnisse zu verbessern.”

 

Hier zeichnet sich der erste fundamentale Unterschied ab: 

 

Standard vs. Rating-Plattform 

 

  • B Corp ist im weitesten Sinne ein Standard für ganzheitliche Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens. B Corp ist insofern ein Standard, als nicht jedes Unternehmen B Corp-zertifiziert werden kann, sondern eine Mindestpunktzahl von 80 (von 200 möglichen) Punkten erreichen muss. Zudem müssen sich Unternehmen gesellschaftsvertraglich dazu verpflichten die Interessen der verschiedenen Stakeholdergruppen in Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen. Im Durchschnitt erreichen Unternehmen im ersten Anlauf zwischen 50 und 55 Punkten und gehen dann einen mehrmonatigen Prozess zur Erreichung der Mindestpunktzahl ein.

 

  • EcoVadis ist eine Rating-Plattform für Nachhaltigkeitsratings für Unternehmen und globale Lieferketten. D.h. auch EcoVadis basiert auf einem Punktesystem, allerdings müssen Unternehmen – im Unterschied zu B Corp – keine Mindestpunktzahl erreichen und keine vertraglich verankerte Verpflichtung gegenüber Stakeholdern eingehen. Jedes Unternehmen kann sich gegen eine Gebühr bewerten lassen und erhält mit dem Rating einen Score, der auf der Skala eine Einordnung von einem hohen Risiko und geringer zur herausragenden Nachhaltigkeitsleistung gibt.

 

Die folgenden Unterschiede können als potentielle Kriterien für die individuelle Bewertung herangezogen werden. Die entscheidende Frage ist weniger “welches ist das bessere System?”, sondern vielmehr “welches System dient den aktuellen Belangen und strategischen Unternehmensziele am besten”?.

 

Methodik

 

  • Die B Corp-Bewertung basiert auf rund 200 Fragen in fünf Impact-Bereichen, nämlich Governance, Mitarbeitende, Gesellschaft, Umwelt und Kund*innen, und orientiert sich an internationalen Nachhaltigkeitsstandards, darunter den Sustainable Development Goals, der Global Reporting Initiative (GRI), dem Carbon Disclosure Project (CDP) und dem Sustainability Accounting Standards Board (SASB). Mehr dazu hier

 

  • Die EcoVadis Bewertung basiert auf 21 Kriterien in vier Impact-Bereichen, nämlich Umwelt, Arbeits- und Menschenrechte, Ethik und Nachhaltige Beschaffung, und orientiert an Standards wie der Global Reporting Initiative, dem Global Compact der Vereinten Nationen und der ISO 26000. 

 

Die Bewertung basiert einerseits auf ähnlichen Kriterien, auch wenn diese unter unterschiedlichen “Impact-Bereichen” zusammengefasst werden. Beide Systeme betrachten die Umwelt, Mitarbeitende (“Menschen und Arbeitsrechte”), Gesellschaft (“Nachhaltige Beschaffung”) und Governance (“Ethik”). 

 

Andererseits signalisieren die unterschiedlichen Impact-Bereiche unterschiedliche Schwerpunkte. Während B Corp das Thema “Lieferketten” im Bereich “Gesellschaft” ansiedelt, stellt dieses bei EcoVadis einen eigenen Bereich dar. 


Entscheidungsprozess in Unternehmen

 

  • Da B Corp eine Zertifizierung für das gesamtgesellschaftliche Engagement eines Unternehmens ist und eine Anpassung des Gesellschaftsvertrags im Sinne der Stakeholder Voraussetzung ist, ist es unerlässlich, dass die Entscheidung für B Corp von den Geschäftsführenden, dem Vorstand und ggf. den Investoren mitgetragen wird. 

 

  • EcoVadis ist aus der Idee entstanden Nachhaltigkeit in der Beschaffung und Lieferketten zu fördern, indem die Nachhaltigkeitsleistung von Lieferanten bewertet wird und durch Korrekturmaßnahmenpläne Verbesserungen initiiert werden können. Ein starker Fokus auf nachhaltige Lieferketten ist auch immer noch gegeben und so entscheiden häufig die Einkäufer*innen bzw. das Procurement darüber, ob EcoVadis genutzt werden soll. 

 

Hier ist die zentrale Frage, welche Rolle bzw. welche Abteilung sich mit den Systemen auseinandersetzt und was die eigene Zielsetzung ist. Oft lohnt sich an der Stelle auch das Gespräch mit Kolleg*innen, um potentielle Synergien zu erkennen und die Frage in den gesamtstrategischen Kontext zu setzen.

 


Anforderungen an die Dokumentation

 

  • Bei B Corp erfordert das B Impact Assessment die Beantwortung eines Fragenkatalogs von rund 200 Fragen in Bezug auf Richtlinien, Praktiken und Resultate. Die Fragen sind an das Land, die Branche und Größe des Unternehmens angepasst. Das Unternehmen muss dann sicherstellen, dass alle Antworten verifizierbar sind. In der Praxis stellen die Auditoren über eine Stichprobe sicher, dass die entsprechende Dokumentation vorhanden ist.  

 

  • EcoVadis nutzt ebenfalls einen Fragebogen, der an Land, Branche und Größe angepasst ist und Dokumente als Nachweis für die im Fragebogen gemachten Angaben, die “Richtlinien, Aktionen und Ergebnisse” des Managementsystems betreffen. Maximal können dem Fragebogen 55 belegende Dokumente beigefügt werden.

 

Das B Impact Assessment und die notwendige Dokumentation dafür ist also detailreicher. Die Erfahrung zeigt gleichzeitig, dass Unternehmen, die den Zertifizierungsprozess durchlaufen haben, eine Vielzahl an Informationen zur Hand haben, die sowohl auf verschiedene Standards als auch Frameworks für Nachhaltigkeit einzahlen.

 

Die Organisation

 

  • Hinter B Corp und dem Zertifizierungsverfahren steckt die gemeinnützige Organisation B Lab, die 2006 gegründet wurde. Dort sind auch die Auditoren (“Analysts”) angestellt, die die Zertifizierung durchführen. B Lab hat im Kern den Auftrag die Vision im Blick zu behalten, die notwendige Infrastruktur bereitzustellen und die Relevanz des Assessments sowie die hohe Qualität des Standards zu gewährleisten. 

 

  • EcoVadis wurde als (for profit-) Unternehmen 2007 gegründet und hat im letzten Jahr 200 Millionen Dollar von Investoren eingesammelt, um Wachstum und Lieferkettentransparenz voranzutreiben. 

 

Die Implikationen einer gemeinnützigen Organisation versus eines auf starken Wachstums ausgerichteten Unternehmens sind vielfältig. Bei B Lab führt die aktuell sehr hohe Nachfrage zeitweise zu personellen Engpässen im Zertifizierungsprozess und längeren Wartezeiten. EcoVadis hat hier aufgrund der Organisation die Mittel u.a. dedizierte Customer Success Manager*innen anzustellen, die für Fragen zur Verfügung stehen und den Onboarding-Prozess für Lieferanten begleiten.  


Netzwerk / Mitglieder (Stand Oktober 2021)

 

  • Weltweit gibt es heute über 4.000 zertifizierte B Corps

 

  • EcoVadis hat weltweit rund 75.000 Unternehmen bewertet

 

Community Building

 

  • Bei B Corp ist das Selbstverständnis als Bewegung und Community stark ausgeprägt. Der Begriff der “B Economy” wurde geprägt, um auch das erweiterte Ökosystem von Menschen, Organisationen und Unternehmen abzubilden, die nicht direkt zertifizierbar sind, jedoch die Vision teilen und sich in der Bewegung engagieren.

 

  • Auch EcoVadis unternimmt Maßnahmen im Bereich Communitybuilding, und arbeitet z.B. mit Industrie-spezifischen Initiativen wie “Together for Sustainability” (Chemie). Hier geht es allerdings mehr um Netzwerkaufbau und das gemeinsame Setzen neuer Standards in bestimmten Branchen. Zudem muss man Kund*in von EcoVadis sein, um der Initiative beitreten zu können. 

 

B Corp fördert seine Bewegung und die zugrundeliegende Vision, indem es zum Beispiel das B Impact Assessment kostenfrei zur Verfügung stellt. Auch Unternehmen, die sich nicht zertifizieren können oder wollen, nutzen es als Rahmenwerk, um einen praktischen Einstieg in ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement zu erhalten. Inzwischen nutzen über 100.000 Unternehmen dieses Tool. Zudem gibt es Peer-Learning-Programme für Unternehmen, die das Assessment als Grundlage für die Strategieentwicklung und die Berichterstattung nutzen sowie selbstorganisierte Arbeitsgruppen, die mit Hochschulen und Verbänden über Stakeholder-orientiertes Wirtschaften sprechen.

 

Preise

 

  • B Corp’s Preise sind gestaffelt und orientieren sich am jährlichen Umsatzvolumen. Die konkrete Preisstaffel ist hier einzusehen. Zudem gibt es neuerdings eine “Submission Fee” über 250 €, die direkt nach Einreichung des Assessments (BIA) fällig wird.

 

  • EcoVadis’ Preise sind ebenfalls gestaffelt und orientieren sich für das eigene Rating an der Mitarbeitendenzahl. Die konkrete Preisstaffel ist hier einzusehen. Wenn ein Unternehmen neben dem eigenen Rating auch seine Lieferanten bewerten lassen möchte, ist dies mit weiteren Kosten auf Basis eines individuellen Angebots verbunden. 

 

Die Preise lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen nicht direkt vergleichen. Der finanzielle Aufwand ist bei EcoVadis aber tendenziell geringer als B Corp, sofern es nur um das eigene Rating geht.


Die Gemeinsamkeiten

 

Die Gemeinsamkeiten liegen vor allem im Bereich der Bewertung der Nachhaltigkeitsbemühungen:

 

  • Die Bewertung basiert auf einem Punktesystem. Hier kann davon ausgegangen werden, dass eine hohe Punktzahl als B Corp mit einer hohen Punktzahl im EcoVadis-Rating korreliert. Andersherum betrachtet führt eine hohe Punktzahl im EcoVadis-Rating nicht direkt zu einer hohen B Corp-Punktzahl, da EcoVadis sogenannte “Impact Business Models” nicht berücksichtigt (mehr dazu unten, s. Besonderheit #2).

 

  • Die Bewertungen basieren auf Richtlinien, Maßnahmen und Ergebnissen. Sowohl bei B Corp und EcoVadis ist es zudem so, dass konkrete Maßnahmen und Resultate immer stärker gewichtet werden und mehr Punkte bringen als z.B. Richtlinien oder das Setzen von Nachhaltigkeitszielen.

 

  • Beide Systeme regen zur kontinuierlichen Verbesserung an. Bei B Corp ist dies sogar so zentral, dass davon auch die Re-Zertifizierung nach drei Jahren abhängt. Bei EcoVadis geschieht dies indirekt dadurch, dass die Einkäufer*innen den zugrundeliegenden Score nutzen können, um Verbesserung oder eine Mindestleistung von ihren Lieferanten einzufordern. 

 

Zwei Besonderheiten

 

Es gibt zwei Besonderheiten, auf die ich hier zusätzlich verweisen möchte, da dies für die Entscheidung für B Corp wichtig ist. 

 

  1. Wie zu Beginn erwähnt, erfordert die B Corp-Zertifizierung die Anpassung des Gesellschaftsvertrags („Satzungsänderung“). Dort wird festgehalten, dass die Interessen der verschiedenen Stakeholdergruppen berücksichtigt werden. Hier gilt es so früh wie möglich das Einverständnis möglichst aller Beteiligten einzuholen. Da EcoVadis keinen Standard darstellt, sondern ein Rating, werden Unternehmen hier immer gemäß Status Quo bewertet. 

 

  1. Bei B Corp spielen zudem die sogenannten “Impact Business Models” eine wichtige Rolle. Diese werden gesondert vom Haupt-Assessment betrachtet und belohnt solche Unternehmen, die einen bestimmten positiven Impact im Kern des Geschäftsmodells verankert haben. Das bedeutet für die Punkteverteilung, dass ein hohes EcoVadis-Rating wahrscheinlich mit einer hohen Punktzahl im Haupt-Assessment korreliert, jedoch nicht entscheidend für einen hohen B Corp Punktestand ist.

 

Tabellarischer Vergleich

 

Um die Links einzusehen, bitte hier klicken.

Key Takeaways

 

  • Grundsätzlich: B Corp und EcoVadis sind nicht direkt vergleichbar. B Corp Ist im weitesten Sinne ein Standard für ganzheitliche Nachhaltigkeitsbemühungen und EcoVadis eine Rating-Plattform für Nachhaltigkeitsratings.

 

  • B Corp und EcoVadis haben einige gemeinsame Ansätze, vor allem in der Bewertungsmethodik.

 

  • Es überwiegen die Unterschiede, insbesondere im Hinblick auf Vision, Zielsetzung, System, Organisation, Zielgruppe, Community, Netzwerk und Preise.

 

  • Die o.g. Kriterien stellen gleichzeitig eine Orientierungshilfe für den Entscheidungs- und Bewertungsprozess im Unternehmen dar.

 

  • Im Entscheidungsprozess für B Corp und EcoVadis sind Besonderheiten zu berücksichtigen. Vor allem aber hängt die “richtige Entscheidung” von den aktuellen Bedürfnissen und strategischen Zielen des Unternehmens ab. Hier sollten B Corp und EcoVadis auch als sich ergänzende Systeme in Erwägung gezogen werden.